Die Auswahl des Audiocodecs ist im Lauf der Zeit deutlich komplizierter geworden. Die einfache alte Formel »MP3 oder bei genügend Platz AC-3« gilt längst nicht mehr. Werfen wir deshalb einen Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten.
Genaue Downloadadressen für alle Encoder folgen später im Kapitel Die nötige Software.
Der Klassiker. Mit MP3 brauchen wir uns um Abspielprobleme keine Sorgen zu machen: läuft überall. Der große Nachteil ist die Beschränkung auf Stereo; den 6-Kanal-Ton der DVD können wir mit MP3 nicht beibehalten.
MP3 erreicht bei Musik transparente (also vom Original nicht mehr zu unterscheidende) Qualität in der Region um 150 kbit/s, einen sinnvoll konfigurierten und qualitativ hochwertigen Encoder vorausgesetzt. Das oft gehörte »128 Kilobit sind CD-Qualität« war lange Zeit ein Märchen. Wenn man sich die Ergebnisse des jüngsten Hörtests ansieht, darf man über die Aussage inzwischen nicht mehr ganz so laut lachen. Die meisten modernen Encoder (ob MP3 oder nicht) kommen im Bereich der berühmten 128 kbit/s der Transparenz erstaunlich nahe (5,0 in den Diagrammen der verlinkten Seite bezeichnet Transparenz). Aber Vorsicht: Hier gilt ganz besonders die Voraussetzung eines guten Encoders und passender Konfiguration.
Wenn wir von MP3 sprechen, sollten wir ganz selbstverständlich auch vom LAME-Encoder sprechen. Es gibt keinen weiter entwickelten MP3-Codec und kaum einen Grund, LAME nicht zu verwenden. Für Audiocodecs im Allgemeinen und LAME im Besonderen gilt, keine Experimente mit obskuren Optionen anzustellen, sondern sich an die gut getesteten Standardeinstellungen zu halten. Gäbe es Optionen, die die Qualität spürbar erhöhen würden, dann wären die schon längst in den »offiziellen« Empfehlungen enthalten.
Für Stereoton ist Vorbis der Konkurrent zu MP3, besonders bei geringer Datenrate. 80 kbit/s sind ohne Bedenken machbar, und die derzeitige Entwicklung arbeitet stark daran, Vorbis für noch niedrigere Bitraten zu optimieren.
Düsterer sind die Aussichten für Mehrkanalton. Zwar besitzt Vorbis einen Multichannel-Modus, allerdings ist der weder intensiv getestet noch wirklich ausgereift. Da die aktiven Entwickler für Verbesserungen hauptsächlich Musik und kaum Tonspuren im Hinterkopf haben, bleibt die Mehrkanalfähigkeit unbeachtet. Um qualitativ auf der sicheren Seite zu stehen, müssen wir mit AC3-ähnlichen Bitraten kalkulieren, und damit bleibt Vorbis praktisch auf Stereo beschränkt.
Seit einigen Jahren ist es normal, dass der offizielle Vorbis-Encoder die interessantesten und neusten Optimierungen nicht enthält. Deswegen sollten wir an den auch wenig Gedanken verschwenden und uns lieber an die aoTuV-Variante halten. In Form der zusätzlich auf Geschwindigkeit optimierten Lancer-Builds ist das der beste Vorbis, den wir bekommen können.
Advanced Audio Coding ist das »MP3 der Zukunft« und offizielles Audioformat des MPEG-4-Standards. Es ist besonders interessant, weil es zur Zeit als einziges Format 6-Kanal-Ton mit deutlich geringeren Bitraten als AC-3 encodieren kann. Je weiter wir den Funktionsumfang von AAC ausreizen, desto länger dauert das Encoding und desto mehr CPU-Leistung ist bei der Wiedergabe nötig. Andererseits steigt natürlich die Kompressionsleistung. Im Wesentlichen gibt es drei Komplexitätsstufen, sogenannte Profile.
Der bekannteste Encoder ist sicherlich Nero, der sowohl im Nero-Gesamtpaket enthalten ist als auch als kostenloser Kommandozeilen-Encoder heruntergeladen werden kann. Daneben steht Winamp als zweiter wichtiger AAC-Encoder mit Unterstützung für unser Audio-Transcodingtool BeSweet. obwohl beschränkt auf CBR, liefert er gute Ergebnisse. Ich persönlich verzichte trotzdem ungern auf den VBR-Modus und verwende deshalb Nero.
Im Lager der nicht-kommerziellen Software sieht es in Sachen AAC-Encoder düster aus. Besonders dass aus diesem Bereich ein HE-fähiger Encoder fehlt, macht Nero und Winamp zu den einzigen für uns ernsthaft nützlichen Alternativen.
Im fertigen Encoding AC-3 einzusetzen ist eine einfache Lösung, weil wir die Tonspur nur unverändert von der DVD übernehmen müssen. Es entfällt sowohl die Arbeit als auch der Qualitätsverlust des Transcodings, und natürlich bleibt der Mehrkanal-Ton erhalten. Nachteil: 5.1-AC3 ist mit 384 kbit/s oder 448 kbit/s recht groß, benötigt also eine entsprechend hohe Zielgröße, damit die Videoqualität nicht leidet. Dank DVD-Brenner ist das heute kein großes Problem mehr, denn bei ½ DVD-5 als Zielgröße ist nahezu immer Platz für mindestens eine AC-3-Spur. Für das urklassische, hochkomprimierte 1-CD-Encoding können wir AC-3 dagegen vergessen. Allerdings muss AC-3 nicht immer 6 Kanäle enthalten, auch 192-kbit-Stereo (z.B. die deutschen Tonspuren der Indiana-Jones-DVDs) oder sogar Mono (z.B. manche Audiokommentare) sind möglich.
Selber AC-3 in guter Qualität zu encodieren, ist vor allem mit einem teuren kommerziellen Encoder gut möglich, der auch alle Feinheiten des Formats unterstützt. Die Situation bei den nichtkommerziellen Encodern hat sich inzwischen gebessert. Nach wie vor gilt, von BeSweets ac3enc tunlichst die Finger zu lassen. Als Alternative bietet sich Aften an, der zwar nicht den vollen AC3-Funktionsumfang bereitstellt, aber sinnvolle Qualität liefert und inzwischen sogar mit BeSweet zusammenarbeitet.
Welchen Encoder wir auch immer verwenden, AC-3 bleibt auf hohe Bitraten ausgelegt. Dass die DVD für 6-Kanal-Spuren die Untergrenze von 384 kbit/s definiert, hat seinen Grund. Ich würde empfehlen, bei 5.1-AC3s nicht unter 256 kbit/s und bei Stereo-AC3s nicht unter 160 kbit/s zu gehen.
DTS (Digital Theater Systems) ist inzwischen auf DVDs leider recht weit verbreitet. Wie AC-3 arbeitet DTS mit konstanter Bitrate, verwendet aber höhere Bitraten (768 oder 1536 kbit/s) und unterstützt einen Kanal mehr (6.1). Allerdings ist mir noch nie eine 6.1-DTS-Spur über den Weg gelaufen.
Ohne für einen professionellen Encoder tief in den Geldbeutel zu greifen, können wir DTS nicht selbst erzeugen. Bliebe also nur, die Originalspur in den fertigen Film zu übernehmen. Die Container, die AC-3 unterstützen, kommen auch mit DTS zurecht. Persönlich finde ich es allerdings äußerst blödsinnig, für eine Audiospur so extrem viel Platz zu opfern, wenn sowieso eine qualitativ praktisch identische AC-3-Spur zur Verfügung steht. Da sich DTS außerdem nur recht umständlich verarbeiten lässt, werden wir uns um das Format nicht weiter kümmern.
Der passende Audiocodec hängt von einigen Faktoren ab, von denen einer sicher immer der persönliche Geschmack ist. Wichtiger ist aber erst einmal der gewünschte Film-Container. Entscheiden wir uns für AVI, müssen wir uns gleichzeitig von Vorbis verabschieden, da Vorbis nicht in AVI gemuxt werden kann. Einige Hardwareplayer haben Probleme mit VBR MP3, und AAC in AVI unterstützt soweit ich weiß keiner. Auch MP4 hat einige Einschränkungen: Vorbis und AC-3 sind nicht möglich. Am unproblematischsten ist Matroska, da dieser Container ganz bequem alle angesprochenen Audioformate unterstützt.
Die nächste Frage gilt der gewünschten Anzahl Kanäle. Wollen wir, falls vorhanden, den originalen 6-Kanal-Ton beibehalten, bleibt uns praktisch nur die ursprüngliche AC-3 oder AAC. Als Ausweichmöglichkeit ist inzwischen auch eine selbst encodierte AC-3 denkbar. Allerdings sollten wir wegen der kleineren Bitraten AAC bevorzugen, wo immer möglich. Außerdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich irgendwann doch einmal jemand um den Multichannel-Modus von Vorbis kümmert.
Als letztes sollten wir auch Qualität und Kompatibilität der einzelnen Codecs betrachten. Wer seine Encodings auf dem Standalone-Player abspielen will, wird sich wohl oder übel auf MP3 (und evtl. AC-3) beschränken müssen. Davon abgesehen bietet sich MP3 nicht mehr an, denn Vorbis und AAC erreichen die gleiche Qualität bei geringeren Bitraten. Als offizielles MPEG-4-Audioformat dürfte AAC langfristig die besten Chancen haben sich durchzusetzen. Zusätzlich stellt sich im Zeitalter der DVD±R die Frage: Warum nicht gleich AC-3 behalten, wenn auf der Scheibe eh massig Platz ist? Das gilt natürlich weniger für das klassische Encoding auf ein bis zwei CDs.
Eine klare Empfehlung ist bei der heutigen Vielfalt an Formaten nicht mehr möglich. Meine persönlichen Favoriten sind HE-AAC für 5.1-Ton und Vorbis für Stereo. Seit ich den DVD-Brenner habe, schafft es aber dank genügend Platz auch immer häufiger die originale AC-3 ins Encoding.