In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit ein bisschen Theorie und hauptsächlich mit dem Bild der DVD, das uns als Quelle dient. Zu wissen, wie genau die DVD Video speichert, ist zentral, um nicht zum Schluss mit Eierköpfen im Encoding dazustehen.
So staubig und lästig es sein mag: Ein zentraler Punkt, um nicht rasant in größte Verwirrung zu stürzen, ist, sich erst einmal über eine Reihe von Begriffen klar zu werden.
Wenn es so viele Probleme verursacht, warum wird das Video dann überhaupt verzerrt gespeichert? Das liegt hauptsächlich an zwei Dingen.
Die Auflösung der PAL-DVD hat ein DAR von 1,25. Für die meisten Kinofilme, die in der Region zwischen 1,78 und 2,35 liegen, ist das ein extrem ungünstiger Wert. Bei unverzerrter Speicherung könnte im schlechtesten Fall nur etwa die Hälfte der verfügbaren vertikalen Auflösung ausgenutzt werden, um nicht links und rechts einen Teil des Bildes abschneiden zu müssen.
Das Bild verzerrt zu speichern, bietet die Möglichkeit, eine große Vielfalt von Seitenverhältnissen in der DVD-Auflösung unterzubringen und trotzdem so wenig wie möglich wertvolle vertikale Auflösung zu opfern.
Das Bild einer PAL-DVD ist mit einer Auflösung von 720 × 576 gespeichert ist. Für NTSC gelten 720 × 480. Die Auflösung ist fix, egal welchen Film wir darin verpacken. Wir können nur zwischen zwei Arten der Verzerrung wählen: 4:3 (wenig verzerrt) und 16:9 (stark verzerrt, entsprechend der professionellen Definition von »anamorph«) Daraus ergibt sich: Mit einer DVD als Quelle müssen wir immer eine Verzerrung berücksichtigen, denn das Bild hat nie das richtige Wiedergabe-Seitenverhältnis.
Betrachten wir das Bild der DVD etwas mehr im Detail. Als Beispiel nehmen wir Die fabelhafte Welt der Amélie, die praktischerweise nicht kopiergeschützt ist. Der Film ist mit einem Seitenverhältnis von 2,35 gedreht, muss aber mit dem vorgegebenen 1,78 einer 16:9-DVD auskommen. Die ungenutzte Auflösung wird einfach mit schwarzen Balken aufgefüllt, so dass Frame Nummer 27.661 so aussieht (alle folgenden Screenshots sind verkleinert):
Möglich wäre es auch, das gleiche Bild in einer 4:3-DVD unterzubringen. Das würde weniger Verzerrung, größere Balken und weniger wertvolle vertikale Auflösung bedeuten. In der Anfangszeit der DVD wurden solche Sünden häufiger begangen (die erste Ausgabe von Titanic z. B.). Heutzutage begegnet man so etwas auf professionellen DVDs zum Glück nicht mehr.
Beim Abspielen muss nun das Video entzerrt werden. Dazu streckt der Decoder das Bild horizontal so weit, bis das Seitenverhältnis passt. Für eine 16:9-PAL-DVD ergeben sich 1047 Pixel in der Horizontalen. Unser Amélie-Beispiel sieht dann so aus:
Für Filme, die nicht im Widescreen-Format gedreht sind, sieht die Sache ähnlich aus. Nehmen wir die Simpsons als Beispiel, die passend für den traditionellen Fernseher mit einem AR von 1,33 produziert werden. Dieses Verhältnis kommt der Auflösung der DVD (AR 1,25) recht nahe und wird deshalb mit der 4:3-Verzerrungsvariante gespeichert. Das sieht dann so aus:
Schwarze Balken gibt es bei 4:3-Material, wenn überhaupt, nur minimal. Im Beispiel sind nur die Ränder des Bildes ein wenig unsauber.
Falls jemand ins Grübeln kommt. Das Bild stammt aus Season 4: Maggies Mission-Impossible-Einlage in A Streetcar Named Marge. Welche Framenummer, weiß ich nicht. Die DVD ist kopiergeschützt, deshalb habe ich den Screenshot beim normalen Abspielen gemacht, nicht mit VirtualDub.
Bei der Wiedergabe passiert das gleiche wie im 16:9-Fall. Der Decoder streckt das Bild auf die korrekte Breite.
Im Vergleich zur Amélie muss man die beiden Maggie-Versionen schon genauer unter die Lupe nehmen, um den Unterschied zu sehen. Am deutlichsten wird die Verzerrung an den Augen, die simpsonstypisch kreisrund sein müssen.
Jetzt stellt sich sicherlich die Frage, wie man die zur Wiedergabe nötige horizontale Auflösung ermittelt. Dafür ist das Pixel Aspect Ratio zuständig. Erinnern wir uns: das PAR beschreibt die korrekte Form eines einzelnen Pixels zum Zeitpunkt der Wiedergabe. Man könnte auch sagen, das PAR beschreibt, wie rechteckig die Pixel sein müssen. Es gibt nur vier Werte. Für PAL und NTSC je einen für 16:9 und 4:3.
PAL | NTSC | |
---|---|---|
4:3 | 12/11 | 10/11 |
16:9 | 16/11 | 40/33 |
Mit dem richtigen Wert aus dieser Tabelle lassen sich die Pixel des Bildes so weit in die Breite ziehen, dass das Seitenverhältnis passt. Allerdings kann ein Computermonitor ausschließlich quadratische Pixel darstellen. Anstatt also die Form der Pixel zu verändern, erhöhen wir in der Horizontalen die Anzahl der Pixel, um den gleichen Entzerrungseffekt zu erhalten.
Dass ein Computermonitor ausschließlich quadratische Pixel darstellen kann, gilt genau genommen nur für TFTs. Röhrenmonitore (CRT) sind theoretisch zu jeder beliebigen Auflösung und Pixelform fähig. Nur arbeiten alle Standard-Desktopauflösungen mit quadratischen Pixeln.
Fast alle. Eine populäre Ausnahme ist die 1280 × 1024 auf einem CRT. Die Bildröhre des Monitors hat ein Seitenverhältnis von 1,33. Die 1280er Auflösung kommt auf ein Seitenverhältnis von 1,25. Die Abmessungen der Röhre und die Auflösung passen nicht zusammen, was zu rechteckigen Pixeln führt.
Heißt das nicht, dass man eigentlich alles leicht gequetscht sieht, wenn man am CRT mit 1280 × 1024 arbeitet? Ja. Die richtige, nicht verzerrte (quadratische), Auflösung wäre 1280 × 960. Das gilt nicht bei TFTs. Für die Modelle mit 1280 × 1024 als nativer Auflösung hat man die Abmessungen des Panels angepasst, so dass wieder quadratische Pixel entstehen.
Ok, zurück zu unserem Film. Die passende horizontale Auflösung auszurechnen, ist anhand der Tabelle sehr einfach. Wir müssen nur den zur DVD passenden Wert ablesen und in diese Formel einsetzen:
Für die Amélie müsste die Rechnung dem Beispiel oben zufolge 1047 Pixel ergeben. Und das tut sie auch.
Wer aufmerksam mitrechnet, dürfte spätestens jetzt die Stirn runzeln. Unsere Zielauflösung enthält 1047 × 436 Pixel echtes Bild (ohne Balken), was einem Seitenverhältnis (hier das Display Aspect Ratio, DAR) von 2,40 entspricht. Trotzdem heißt es oben, der Film wäre in 2,35 gedreht?
Das stimmt auch. Der Unterschied entsteht, weil wir mit den Werten in der PAR-Tabelle dem Standard ITU-R BT.601 folgen, der ein etwas breiteres Bild als die weithin bekannten Werte fordert. Die folgende Tabelle bietet einen Vergleich von »Standard-DAR« und ITU-DAR.
bekannter DAR | DAR nach ITU |
---|---|
1,33 (4:3) | 1,36 |
1,78 (16:9) | 1,82 |
1,85 | 1,89 |
2,35 | 2,40 |
Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Diese Art der Entzerrung ist korrekt, und zwar unabhängig vom Wiedergabegerät. ITU-R BT.601 zu ignorieren führt in der Mehrzahl aller Fälle zu einem falschen Seitenverhältnis im encodierten Video. Die ITU-Empfehlung zu ignorieren ist nur dann sinnvoll, wenn wir genau wissen, dass unsere DVD nicht nach dem Standard gemastert wurde.
Wie genau die einzelnen PARs zustande kommen und welche Bedeutung das generische nicht-ITU PAR tatsächlich hat, damit beschäftigt sich das Spezialkapitel zur ITU-R BT.601 ausführlich. Für das DVD-Backup bringen uns diese Details keinen unmittelbaren Nutzen, weshalb ich das Kapitel eher als Bettlektüre hinterher vorschlage.
Die eine Hälfte des Anamorph-Themas ist geschafft. Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns damit, ob und wie wir das verzerrte Bild im encodierten Film beibehalten. Und obwohl das etwas leichtere Kost ist als dieses Kapitel, ist eine Kaffeepause an dieser Stelle eine gute Idee. Immerhin gehört die Anamorph-Thematik zum schwierigsten, was digitales Video zu bieten hat.